Ukrainische OstarbeiterInnen und Kriegsgefangene

 

Tetyana Pastuschenko

Ich möchte meinen Beitrag um den Begriff UKRAINISCH herum aufbauen.

Das Thema der sowjetisch-ukrainischen OstarbeiterInnen ist heute gründlich erforscht. Während des Zweiten Weltkriegs war der Einsatz von Zwangsarbeitern durch Nazi-Deutschland enorm. Nach jüngsten Schätzungen waren dabei mehr als 13 Millionen Häftlinge beschäftigt. Dies waren sowohl Kriegsgefangene als auch Zivilisten. Unter diesen Millionen ausländischer ArbeiterInnen befanden sich viele Ukrainer. Die Hauptaufgabe besteht nunmehr darin, herauszufinden, wie viele es genau waren. Die meisten kamen aus der UdSSR, fast 3 Millionen. Etwa die Hälfte davon wurde aus dem Gebiet der heutigen Ukraine deportiert. Viele kamen aber auch aus Polen und der Tschechoslowakei. Aber ukrainische ArbeiterInnen wurden in den endgültigen Daten nicht besonders erwähnt, weil es einen Staat mit dem Namen Ukraine nicht gab und die deutschen Behörden diese Nationalität ignorierten. Aber unter den OstarbeiterInnen waren Millionen Ukrainer.

Es bleibt offen, wie viele ukrainische Kriegsgefangene es gab. Da es keine allgemeinen Statistiken zu diesem Thema gab, wurden all die Menschen unterschiedlicher Nationalität als gefangene Soldaten der Roten Armee geführt. Um herauszufinden, wo und welche Personen gefangen genommen wurden, muss man tiefer in die Materie eintauchen.

Auch die Anwesenheit von Frauen in der Roten Armee und Gefangenschaft wurde ignoriert. Wir haben nur Informationen über die Anzahl der für die Rote Armee mobilisierten Frauen. Aber Statistiken darüber, wie viele von ihnen starben oder gefangen genommen wurden, wurden nicht geführt. Ebenso wenig gab es Statistiken der Wehrmacht, die angegeben hätten, wie viele Frauen gefangen genommen wurden.

Aber wenn wir uns die Personaldokumente der Gefangenen genauer ansehen, können wir ihre Nationalität erkennen. So gibt es ein Dokument von Mykhailo Kovela, das besagt, dass er Ukrainer ist. Anhand einer Datenbank dieser persönlichen Karteien kann man ermitteln, wie viele ukrainische Gefangene es gab. Aber es gibt Nuancen. Das Dokument von Myron Pylypko aus der Region Winnytsia besagt, dass er Russe ist. Denn die Nazis verfolgten unter den Häftlingen eine spezifische nationale Politik. Sie stellten den Russen andere Nationen der UdSSR gegenüber. Das ist aus einem Gespräch mit dem Sohn von Myron Pylypko bekannt. Sein Vater habe sich ausdrücklich als Russe angemeldet, sagte er, damit er nicht zur Lagerpolizei mobilisiert werde.

Die Deutschen versuchten nicht so sehr, den Ukrainern Privilegien einzuräumen, sondern sie den Russen nicht zu geben. Daher wurde die Lagerverwaltung aus Nicht-Russen rekrutiert. Deshalb erscheint in der Geschichte der Begriff "Ukrainer" oft in einem negativen Licht. Bis 1941 wurden beispielsweise Ukrainer sowie Vertreter der baltischen Völker aus der Gefangenschaft entlassen. Und manchmal heißt es, Ukrainer seien nicht in Gefangenschaft gewesen, weil sie freigelassen wurden. Es gibt Daten über 270.000 Ukrainer, die aus der Gefangenschaft entlassen wurden, wobei allerdings unter dem Begriff "Ukrainer" Menschen aus verschiedenen Nationen zusammengefasst wurden. Einheimische Ukrainer (zum Beispiel Polen) konnten aus der Gefangenschaft entlassen werden, nicht aber diejenigen, die von weit her kamen. Ebenso entstand die negative Bedeutung durch militärische Gruppierungen von Kriegsgefangenen. Eine der größten bekannten Abteilungen waren die sogenannte „Trawniki“. Daher ist es sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus politischer Sicht wichtig, genau zu ermitteln, wie viele Ukrainer im Kontext der Roten Armee starben oder gefangen genommen wurden.

Die nächste Kategorie von UkrainerInnen sind OstarbeiterInnen. Millionen wurden mit dem Schild „Ost“ gekennzeichnet. Ende 1944 wurden die Abzeichen für Arbeiter nach Nationalität entwickelt. Wenn wir die persönlichen Geschichten betrachten, erkennen wir eine klare nationale Zuordnung.

Die Briefe, die OstarbeiterInnen in die Ukraine schickten, wurden zu einem Beispiel für sehr interessante einzigartige Folklore. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Fotografie. Solche Bilder zeigen, dass die Menschen festliche und nationale Kleidung mitnahmen. Ein Beweis für die Anwesenheit von Millionen UkrainerInnen sind die Friedhöfe der OstarbeiterInnen in Deutschland. Da gibt es viele ukrainische Vor- und Nachnamen. 

Auch die UkrainerInnen, die Lagerhäftlinge waren, litten unter der Segregation. Es gab unter ihnen viele UkrainerInnen, obwohl ihre Nationalität oft nicht ausgewiesen wurde. 80 Jahre nach dem Krieg kennen wir noch nicht alle Antworten auf die entsprechenden Fragen. Denn die Menschen, die die Gefangenschaft und die Konzentrationslager durchliefen, konnten nicht erzählen, was sie erlebten. Denn die meisten von ihnen wurden von einer Sonderkommission des NKWD („Volkskommissariat für innere Angelegenheiten“; sowjetischer Geheimdienst) kontrolliert. Und auch, weil sie lange Zeit keine rechtlich gültigen Dokumente hatten, die ihre Staatsbürgerschaft belegen konnten. Bis 1993 wurden ihre Akten wie Fälle von böswilligen Kriminellen in den Archiven des NKWD aufbewahrt. Dieses Thema konnte erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erkannt und erforscht werden. Bis dahin sprach man nur über den Heldenmut des Volkes und der Gefangenen. So entstand 1963 im Konzentrationslager Mauthausen ein Denkmal für den General Karbyschew. Das erste Denkmal für ZivilarbeiterInnen wurde jedoch erst 2009 errichtet.

Die Dringlichkeit der Frage nach der Zahl der UkrainerInnen unter den Millionen Gefangenen und OstarbeiterInnen ist derzeit enorm, da sie nicht nur das wissenschaftliche Interesse, sondern auch das Ansehen des ukrainischen Staates betrifft. Damit soll klargestellt werden, dass das Wort „UkrainerInnen“ nicht nur für Kollaboration und Kriminalität steht, wie es in populären Publikationen und der öffentlichen Meinung im Allgemeinen immer noch häufig der Fall ist.


Dmytro Zlepko

Ich möchte einige wichtige Punkte aus der deutschen geschichtswissenschaftlichen Literatur über Kriegsgefangene und Ostarbeiter hervorheben. Im Jahr 1938 skizzierte Hitler die Rolle der Ukraine für Nazi-Deutschland: Erstens wurde geplant, ukrainische Gebiete mit Deutschen zu besiedeln; zweitens sollte die Ukraine zur Kornkammer des Dritten Reiches werden; Drittens sollten die Ukrainer als Arbeitssklaven für Deutschland eingesetzt werden. Die Umsetzung dieser drei Prinzipien begann mit dem deutschen Angriff auf Polen am 1. September 1939.

Westgalizien mit seinem Zentrum Krakau wurde zum Generalgouvernement. Die östlichen Teile dieses Gebietes – Lemkiwschtschyna, Cholmschtschyna, Sasjannja – waren von Ukrainern bewohnt. Deutschland benutzte die Ukrainer auch in seinem Kampf gegen die Polen. Die Ukrainer wurden ermutigt, sich den Reihen des Dienstes für das Vaterlande anzuschließen oder sich bereit zu erklären, für das Deutsche Reich zu arbeiten. Diejenigen, die in den Dienst für das deutsche Vaterland traten, erhielten das Recht für die Ernte und Heimaturlaub. Die Anzahl dieser "Bediensteten" sollte 150.000 Personen betragen, aber es waren nie mehr als 45.000. Die Zahl der ukrainischen Polizisten betrug 12.000, die Zahl der Polen betrug ebenfalls 12.000, 14.000 Menschen schlossen sich dem polnischen SD (Deutscher Sicherheitsdienst) an. Für die „Volksdeutschen“ (ethnische Deutsche) gab es separate Regelungen.

Die ersten Ostarbeiter fuhren begleitet von Musik in Zügen nach Deutschland. Ihnen wurde ein Gehalt für ihre Arbeit, Heimaturlaub und die Möglichkeit, an Gottesdiensten teilzunehmen, versprochen. Die sogenannte "Arbeitskarte" galt als Rentenkarten-Nachweis Himmlers Polizeibefehl vom 8. März 1940 ernüchterte die ukrainischen Arbeiter im Reich. Sie mussten eine Armbinde tragen, erhielten Lohnkürzungen, durften kein Fahrrad und persönliches Geld besitzen und keine persönlichen Kontakte mit Deutschen pflegen. Bei Streit oder Missverständnissen wurden sie für 50 Tage ins Gefängnis geschickt. Dies galt als Mittel der sogenannten Erziehung. So entstand die sogenannte Gruppe der "Gefangenen-Zöglingen" (wortwörtlich übersetzt). Etwa 2.500.000 Ukrainer wurden insgesamt zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt.

Am 1. August 1941 wurde der Distrikt Galizien in das Generalgouvernement eingegliedert. Während Stetskos Proklamation der Wiederherstellung der ukrainischen Regierung am 30. Juni erwiderte ein Mitglied der deutschen Abwehr, Hans Koch, den Ukrainern nachdrücklich, dass Hitler entscheiden würde, was mit der Ukraine getan werden solle, und dass die Ukrainer arbeiten und gehorsam sein sollten. Hitler traf seine Entscheidung am 20. September 1941. Er sagte wörtlich: "Ukrainische Familien sind Kaninchen, die mit starkem Griff gehalten werden müssen." In der Rassenhierarchie des Nationalsozialismus standen die Ukrainer auf der vorletzten Stufe nur über den Juden.

Am 20. Februar 1942 wurde eine Anordnung erlassen, die besagte, dass jede Familie ein Familienmitglied zwischen 18 und 45 Jahren zur Arbeit im Reich stellen müsse. Der Arbeiter dürfte seine Armbinde nicht entfernen und müsste mindestens 12 Stunden arbeiten. Das "Ost"-Zeichen wurde nur von Ukrainern getragen, nicht von Polen oder Juden. Im Falle der Umgehung der Entsendung eines Arbeiters aus der Familie in die ukrainischen Städte und Dörfer wurden offizielle Hinrichtungen durchgeführt; die SS begann mit dem Menschenfang. 1942 wurden 1.714.000 Menschen aus der Ukraine nach Deutschland gebracht. "Osti" arbeiteten für den Sicherheitsdienst in den Konzentrationslagern sowie als Arbeiter in deutschen Unternehmen. Im Jahr 1944 befanden sich etwa 2.244.000 Ukrainer auf dem Territorium des Deutschen Reiches. In der deutschen Geschichte wurde nichts über die ukrainischen Ostarbeiter geschrieben.

Kriegsgefangene hatten nach dem Wiener Übereinkommen das Recht auf Schutz. Von 1941 bis 1945 galt dieses Übereinkommen jedoch nicht für gefangene Ukrainer. Hitler definierte den Krieg gegen Sowjetunion am 30. März 1941 als Weltanschauungskrieg, in dem militärische Partnerschaften unmöglich seien. Der sowjetische Militärgefangene galt als Bedrohung für das Deutsche Reich. Hinrichtungen sowjetischer Kriegsgefangener wurden zahlreich und plötzlich durchgeführt. 

Auch in der Bundesprovinz wollten die Deutschen polnische Kriegsgefangene nicht in Kriegsgefangenenlager stecken. 1939 dienten mehr als 12.000 Ukrainer in der polnischen Armee, von denen einige im Generalgouvernement gefangen genommen wurden. Das Wehrmachtskommando beschloss, die Gefangenen als Arbeitskräfte für das Reich einzusetzen. Hitler lehnte diesen Vorschlag ab und rechtfertigte ihn mit der Reinheit des deutschen Volkes – so als ob die Slawen die Deutschen bedrohen würden.

Von 1941 bis 1942 gab es auf dem Gebiet des deutschen Reiches 2.400.000 Kriegsgefangene. In der Ukraine gab es mehr als 180 deutsche Lager. Das größte Problem war die Versorgung der Kriegsgefangenen mit Lebensmitteln. Die Deutschen schrieben in ihren Flugblättern über unnötige Fresser, aber ein Kohlkopf für 20 Personen und 2 Kilo Brot für hundert Menschen zeugten von der völlig unzureichenden Versorgung der Kriegsgefangenen. Noch mehr waren die Gefangenen gequält durch den Mangel an Wasser. An Durst starb mehr Menschen als an Hunger, es gab Fälle von Kannibalismus in den Lagern. Im Durchschnitt starben 2.000 Menschen pro Tag. Beim Rückzug des Reiches 1944 blieben viele gefangene Ukrainer in Galizien und wechselten nicht zur Wehrmacht. Sie erklärten dies damit, dass sie in ihrem eigenen Land seien und in Berlin nichts zu suchen hätten. 1944 meldete das Wehrmachtskommando 3.400.000 Kriegsgefangene. Die Zahl der getöteten und erschossenen Soldaten der Roten Armee beträgt 2.800.000 (wahrscheinlich ist diese Zahl sogar zu niedrig). Bei der Rückkehr nach Hause (in die UdSSR) mussten sich die Kriegsgefangenen einer außerordentlichen Überprüfung unterziehen. Bis zum 1. Dezember 1946 hatten 1.834.000 ehemalige Kriegsgefangene eine solche Überprüfung bestanden, von denen 1/3 Ukrainer waren. Alle von ihnen erhielten einen Stamm von "Gefangenen", der den "Volksfeind" ersetzte.

Volksfeind - Die Kriegsgefangenen sahen sich bei ihrer Rückkehr in die UdSSR einem Generalverdacht ausgesetzt, da sie während des Krieges lange unter nationalsozialistischer Herrschaft gelebt hatten. Solche "Feinde" wurden gesucht und durch fiktive Anschuldigungen von Spionage, Sabotage, Kriminalität, Kulaken, bürgerlichem Nationalismus und mehr beseitigt.